
Alkohol
raubt dem
Morgen
das Glück!
Während ich noch getrunken habe, war der Morgen eines jeden Tages eine schreckliche Tortur. Ein wirklich schlimmer Kater mit Kopfschmerzen und Übelkeit ereilte mich meistens zwar nur noch, wenn ich die Weinsorte wechselte, deutlich über meine Toleranz trank oder zuvor ein paar Tage mit dem Trinken ausgesetzt hatte, trotzdem zahlte ich den Preis für die ein einhalb Weinflaschen des Vorabends!
Eigentlich verlief jeder Abend gleich. Ich torkelte nach ein einhalb Flaschen Wein ins Bett, die quälenden Gedanken endlich betäubt – zumindest hoffte ich das – und hatte teilweise trotzdem Probleme einzuschlafen. Zur magischen Stunde des Alkohols um drei Uhr nachts wachte ich auf, nur um dort schon anzufangen den Vorabend zu bereuen und mir Vorwürfe zu machen. An wirklichen Schlaf war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu denken. Wenn der Wecker morgens um sechs Uhr klingelte, war ich alles andere als bereit mich dem neuen Tag und meinem Leben zu stellen. Der Zwiespalt in mir war irgendwann so groß, dass es mir vorkam als hätte ich zwei vollkommen unterschiedliche Persönlichkeiten. Das nüchterne Morgen-Ich und das alkoholsüchtige Abend-Ich.
Mein Morgen-Ich war voller Selbsthass und verzweifelt vor Angst vor dem kommenden Abend. Denn mein Morgen-Ich war sich meiner Situation sehr bewusst und versuchte alles was ihm einfiel, um mich auf den Abend vorzubereiten und stark zu machen gegen den Alkohol. Es schrieb Nachrichten an das Abend-Ich und verteilte sie im Haus. Schrieb Erinnerungen ins Handy und nahm Videos auf mit der Bitte die Hände vom Alkohol zu lassen. Es schüttelte den übrigen Alkohol im Haus in den Ausguss, auch wenn es schon ahnte, dass am Abend neuer gekauft werden würde. Trotz aller Verzweiflung und allem Selbsthass, war mein Morgen-Ich auf seine Weise stark und gab die Hoffnung nie vollkommen auf. Es kämpfte für einen besseren Morgen! Ganz gleich wie oft wir am Abend wieder scheiterten. Mein Abend-Ich kämpfte auf seine Weise. Mal mehr, meistens weniger. Deshalb habe ich mir lange Vorwürfe gemacht. Heute weiß ich, mein Abend-Ich war nicht das Böse in diesem Kreislauf, der sich Tag für Tag, Woche für Woche und Monat für Monat wiederholte. Der Alkohol war der Böse! Ich kämpfte alleine gegen eine Sucht und dieser Kampf wurde erst leichter, als ich merkte, dass ich in meinem Kampf doch nicht so alleine war.
Heute kann ich es noch immer nicht glauben wie wunderschön der Morgen sein kann. Sicher bin ich an Tagen wacher und ausgeschlafener als an anderen, aber ich habe meinen Morgen wieder ganz allein für mich. Ich bin in mir einig. Ohne Selbsthass, ohne Zwiespalt, ohne Verzweiflung und Überforderung vom Leben. Ich versuche meinen Morgen in vollen Zügen zu genießen und jeden Morgen flüstert mein Morgen-Ich meinem Abend-Ich ganz leise ein „Danke“ zu!